Vor kurzem ist mir wieder ein Zeitungsartikel mit den "Gedanken zum Sonntag" von Pfarrerin Ingrid Ossig in die Hände gekommen, den sie zum Thema "Glück" geschrieben hat.

 

"Was ist Glück?

Glück besteht nicht in der Erfüllung unserer Träume. So hat es ein bekannter Lebensberater formuliert.

Glück besteht in der Versöhnung mit der eigenen Wirklichkeit.

Glücklich sind Menschen dann, wenn sie ein Ja finden zum Leben, zu ihrem Leben.

Trotz Enttäuschung, Leiden, trotz vieler unerfüllter Wünsche.

Er hat recht, denke ich. Und doch muss ich mich in diesen Gedanken hineinfinden.

Ich stelle mir unter Glück zunächst das ganz normale Glück vor: Das Wort kommt ja von gelücken, gelingen. Wenn etwas gelingt, dann habe ich Glück. Wenn ein Kind einen großen Wunsch erfüllt bekommt, dann strahlen seine Augen. Wenn ein junges Paar erkennt, dass sie füreinander geschaffen wurden, dann ist das Glück, pures Glück.

Auch in der Bibel gibt es diese Vorstellung, auch wenn hier das Wort Segen verwendet wird. Zahlreiche Kinder zu haben ist sichtbarer Ausdruck solchen Glückes, Wohlstand und auch das Erreichen eines hohen Alters gehören dazu. 

Es ist schön, wenn Menschen einander Glück wünschen und eigentlich dieses göttliche Gelingen meinen.

Und noch schöner ist es, wenn Menschen dann auch solches Glück haben, echtes, unverschämtes, unverdientes Glück.

Freilich ist dieses Glück kein Dauerzustand. Es gibt kein Leben, in dem alles gelingt.

Glück kann man verlieren.

Das Buch Hiob erzählt vom Glück eines Menschen - und wie ihm dieses Glück genommen wird. Angeblich geschieht dies, um seinen Glauben zu prüfen. Eigentlich aber geschieht etwas ganz Normales, Vorhersehbares: Aus einem glücklichen wird ein unglücklicher Mensch.

Und doch bleibt dieser Unglückliche auf eigenartige Weise ein gläubiger Mensch.

Er glaubt jetzt nicht mehr an Gott, sondern gegen Gott, wütend, enttäuscht, gedemütigt.

Warum gerade ich?

Hiob macht die Erfahrung, dass Gott schweigt. Aber Hiob gibt nicht auf. Er redet, er betet, er verbrennt sich die Zunge. Und fast unmerklich geschieht es: Der Unglückliche versöhnt sich mit seiner Wirklichkeit.

Ganz langsam findet er ein neues Ja zu seinem Leben, auch ein neues Ja zu Gott.

Ein neuer Hiob wird geboren, und als das geschieht, da beginnt auch Gott wieder für ihn zu reden.

Ähnlich wie Hiob fragt der Psalmbeter, wie es sein kann, dass es Menschen gut geht, die ganz egoistisch für sich leben und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen - und dass es ihm, dem Psalmbeter, der sich müht, ein gottgefälliges Leben zu führen: dass es ihm schlecht geht.

Am Ende seines Fragens und Klagens sagt er: Gott nahe zu sein ist mein Glück.

Offenbar findet er - wie Hiob - trotz Enttäuschung, trotz seiner Fragen an Gott und das Leben, trotz vieler unerfüllter Wünsche zu einem Ja.

Ein Mensch, dessen Träume zerstört wurden, erfährt neues Glück.

Er kann Ja  sagen zu seinem Leben und zu Gott....."

 

Gedanken, die aufbauen können, die aber auch nicht ganz einfach sind - vor allem, wenn man gerade die Schattenseite des Lebens erfährt. Und wenn auch der Glaube aus guten Tagen dann nicht mehr zu tragen scheint.

Da hilft es manchmal, eigene Worte und Antworten zu suchen.

Gott nahe zu sein ist mein Glück. Das könnte vielleicht heißen: Immer wieder ins Vertrauen finden, dass in jedem Leben ein guter Geist wirkt, der lebensfördernde, heilende Impulse gibt, der Orientierung gibt für den nächsten Schritt, der zu tun ist und der auch die Kraft gibt für diesen nächsten Schritt. Manchmal müssen wir erst sehr ruhig und achtsam sein, um hinter all unseren Vor-Stellungen diesen Geist zu spüren und seine Sprache zu verstehen und dann auch seinen Trost und seine Hilfe zu erfahren. 

Gott nahe zu sein, das könnte aber auch heißen, dem Leben ganz nahe zu sein. In Kontakt sein mit seinem innersten Wesen. Alle Gefühle, die aufkommen, wahrzunehmen und ernstzunehmen und sie angemessen auszudrücken. Sie auch mal Gott "hinzuwerfen".

"...Hiob gibt nicht auf. Er redet, er betet, er verbrennt sich die Zunge..."

So geschieht für ihn Aussöhnung mit seiner Wirklichkeit.

Ja sagen zu können, zu dem was ist und wie es ist - das ist sein Lohn.  

 

 (s.a. S. 20 "In der Stille des Herzens")

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